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4. Blue Notes und Blues-Schema --- FÜR DIE SCHULE ERKLÄRT


Diese beiden Töne werden in den meisten Kulturen der Erde als ein und derselbe Ton in verschiedenen Tonlagen empfunden.1) Sie bilden die so genannte Oktave. Darüber und darunter liegen weitere Oktaven. Die Tonleitern der verschiedenen Kulturen unterscheiden sich durch die Töne, die innerhalb der Oktave liegen. In der europäischen Musik sieht die Tonleiter zum Beispiel so aus. Sie wird von sieben Tönen gebildet. Der oberste Ton gehört bereits zur nächsthöheren Oktave. An zwei Stellen der Tonleiter ist der Abstand zwischen den Tönen nur halb so groß. Wo diese beiden Halbtonschritte liegen, entscheidet darüber, ob es sich um eine Dur- oder Moll-Tonleiter handelt. Hier ist eine Dur-Tonleiter zu sehen und zu hören ist C-Dur. Die beiden Blue-Notes liegen nun dort, wo die Halbtonschritte sind. Und zwar wird jeweils der untere Ton abgesenkt, manchmal mehr, manchmal weniger. So klingt der dritte Ton, die Terz, nicht so [Tonbeispiel], sondern zum Beispiel so [Tonbeispiel]. Diese Blue-Note liegt ungefähr in diesem Bereich [Bild]. Dasselbe gilt für den siebten Ton, die Septime [Bild].2)

Blues-Musiker dachten aber nicht: Ich singe jetzt eine Blue-Note. Es war einfach ihre Art, wie sie Musik als richtig und gut empfanden. Sie sangen und spielten nicht nach Noten, lernten das Musik-Machen nicht in Schulen, sondern hatten ihre eigene Tradition3), in der das kulturelle Erbe ihrer Vorfahren aus Afrika nachwirkte.4)

In den 1940er Jahren begannen manche Jazz-Musiker, oft folgenden Ton zu verwenden [Bild] – die verminderte Quinte. Sie liegt genau in der Mitte der Oktave, wird im Jazz Flatted Fifth genannt und kommt auch im Blues vor. Wird dieser Ton mit Blues-Feeling gespielt, dann klingt er ebenfalls tiefer und wird als dritte Blue-Note angesehen.5)

Nun zum Blues-Schema:

Es besteht aus drei Teilen: Im ersten Teil wird eine Aussage mit einer bestimmten Melodie gemacht, zum Beispiel: Jeden Tag, jeden Tag habe ich den Blues, das heißt, ich bin schlecht drauf. Zur Bestärkung wird diese Aussage mit derselben Melodie wiederholt. Das ist der zweite Teil. Im dritten Teil wird eine Erklärung abgegeben oder eine Schlussfolgerung gezogen, meistens mit einer eigenen Melodie – in diesem Beispiel hier: Du siehst, ich bin in Sorge, Baby, denn dich verliere ich nur sehr ungern. Das Blues-Schema bildet also eine AAB-Form. A und A sind die beiden ersten, gleichen Teile, B der dritte Teil.

Das Blues-Schema hat auch ein bestimmtes rhythmisches Muster. Und zwar bestehen die drei Teile meistens aus je 4 Takten. Das ergibt insgesamt 12 Takte. Die Takte bestehen wiederum aus jeweils vier Beats oder Grundschlägen.

Das klingt dann zum Beispiel so:

          HÖRBEISPIEL: Joe Williams/Count Basie: Every Day I Have The Blues (1955)

Der Gesang lässt Lücken, in denen Instrumente antworten, sodass ein Ruf-und-Antwort-Spiel (Call and Response) abläuft.

          HÖRBEISPIEL: Joe Williams/Count Basie: Every Day I Have The Blues (1955)

Das Blues-Schema hat auch ein harmonisches Muster. In der einfachsten Form sieht es so aus: Im ersten Teil wird alle vier Takte lang ein Akkord gespielt, der auf dem Grundton beruht, der Tonika. In den ersten beiden Takten des zweiten Teils wird ein Akkord gespielt, der auf der Subdominante aufbaut, dem vierten Ton. Danach kehrt der Tonika-Akkord zurück. Der dritte Teil beginnt mit einem Akkord auf der Dominante, dem fünften Ton. Die restlichen drei Takte haben folgende Akkorde [Bild].

Wie gesagt, das ist das Blues-Schema mit den einfachsten Harmonien. Es gibt viele Abwandlungen davon mit komplizierterem Aufbau, besonders im Jazz. Auch muss das Blues-Schema nicht immer zwölf Takte haben. Die zwölftaktige Form ist zwar die häufigste, doch war Blues schon immer vielfältig.

Vor allem aber kann man das, was Blues ausmacht, nicht auf musiktheoretische Dinge wie Blues-Schema und Blue-Notes reduzieren. Blues ist viel mehr als das – eine Kunst des stimmlichen Ausdrucks, die auch auf Instrumente übertragen wurde, ein musikalisches Geschichten-Erzählen, tiefgehende afro-amerikanische Lebenserfahrung. Im Jazz kommt noch ein cleverer, lässiger Schwung dazu.

          HÖRBEISPIEL: Joe Williams/Count Basie: Every Day I Have The Blues (1955)

 

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Fußnoten können direkt im Artikel angeklickt werden.

  1. QUELLE: Manfred Spitzer, Musik im Kopf, 2002, S. 82
  2. QUELLE: Gerhard Kubik, Africa and the Blues, 1999, S. 121 und 124
  3. QUELLEN: 1.) Hans Weisethaunet, Is there such a thing as the ‘blue note’?, Zeitschrift Popular Music, Nummer 1 aus 2001, S. 99–116, Internet-Adresse: https://www.uio.no/studier/emner/hf/imv/MUS2601/v07/undervisningsmateriale/blue-note-artikkel.pdf; 2.) Ethan Hein, Blues Tonality, 28. Juli 2014, Internet-Adresse: https://medium.com/@ethanhein/blues-tonality-3d60b3c6c665
  4. QUELLE: Gerhard Kubik, Africa and the Blues, 1999
  5. QUELLE: Gerhard Kubik, Africa and the Blues, 1999, S. 146-149

 

 


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