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JAZZ ESSENZ – 2. Hauptstrang


Miles Davis (bis heute einer der angesehensten Jazz-Musiker) erklärte, die Geschichte des Jazz könne mit 4 Wörtern erzählt werden: Louis Armstrong Charlie Parker.1) Das ergibt eine Linie, die mit Louis Armstrongs Aufnahmen der 1920er Jahre beginnt und zu Charlie Parker in den 1940er Jahren führt.

Der Musiker Anthony Braxton sprach vom Armstrong-Parker-Coltrane-Kontinuum.2) Auch der Saxofonist Steve Coleman, der viel an Insider-Kenntnis noch direkt von älteren Meistern bezog, nannte John Coltrane als dritte zentrale Figur der Jazz-Entwicklung.3)

Vijay Iyer (ein vielfach ausgezeichneter Jazz-Pianist und Universitätsprofessor) sagte: „Steve Coleman ist in meinen Augen so bedeutend wie John Coltrane. Er hat einen gleich großen Beitrag zur Musikgeschichte geleistet.“ Auch nach Aussage anderer anerkannter Jazz-Musiker ist Steve Coleman der bedeutendste Innovator der letzten Jahrzehnte.4)

Diese Linie von Louis Armstrong bis Steve Coleman bildet den Hauptstrang der Jazz-Geschichte. Oberflächlich klingt die Musik dieser Meister sehr unterschiedlich, doch im Kern enthält sie immer dieselbe Art von Spiel, wie ich nun zeige.

Louis Armstrongs Aufnahmen der 1920er Jahre sind deshalb so bedeutend, weil sie die ersten waren, in denen ein Jazz-Musiker mit brillanten melodischen Soli hervortrat. Die Rhythmusgruppe bildete ein Fundament und darüber spielte Louis Armstrong auf der Trompete (genau genommen einem Kornett) bestechende Melodielinien voller rhythmischer Bewegung.

         HÖRBEISPIEL: Louis Armstrong and His Hot Five: Hotter Than That (1927)

Charlie Parkers Kunst war in den späten 1940er Jahren noch wesentlich weiter entwickelt, beruhte aber auf demselben Prinzip: Über einem Fundament, das nun stark verändert ist, spielt er auf dem Alt-Saxofon wunderbare melodische Linien mit großartiger Rhythmik.

         HÖRBEISPIEL: Charlie Parker Quintet: Bird Of Paradise (1949, Carnegie Hall)

In John Coltranes Musik aus der ersten Hälfte der 1960er Jahre ist das Fundament wiederum sehr verändert und seine Improvisationen auf dem größeren Tenor-Saxofon klingen ganz anders, obwohl er ursprünglich stark von Charlie Parker beeinflusst wurde. Doch im Grunde ist Coltranes kraftvolles, aufwühlendes, erhebendes Spiel immer noch eine erweiterte Form davon, was bereits Louis Armstrong gemacht hat.

         HÖRBEISPIEL: John Coltrane: Out Of This World (1962)

Steve Coleman schuf um 1990 ein neues, zeitgemäßes Fundament, das rhythmisch komplizierter und raffinierter war als alle früheren und doch starken Groove entfaltete.

          HÖRBEISPIEL: Steve Coleman and Five Elements: Step'n (1990)

Auch die sehr melodiösen Linien, die Steve Coleman auf dem Alt-Saxofon spielte, waren neuartig.

          HÖRBEISPIEL: Steve Coleman and Five Elements: Neutral Zone (1990)

Neu war an diesen Melodielinien nicht nur die Wahl der Töne, sondern auch die Art der Bewegungsmuster.

          HÖRBEISPIEL: Steve Coleman and Five Elements: Black Phonemics (1990)

Steve Coleman entwickelte seine Musik über viele Jahre weiter, bewahrte dabei jedoch sein Grundkonzept, das eine fortgeschrittene Form des Modells der alten Meister ist.

          HÖRBEISPIEL: Steve Coleman and Five Elements: Law Of Balance/Figit Time (2001)

Im nächsten Video präzisiere ich die Armstrong-Parker-Coltrane-Steve-Coleman-Linie noch ein wenig.

 

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Fußnoten können direkt im Artikel angeklickt werden.

  1. Quelle: Joan Downs, Bird Lives, Zeitschrift Time, 16. April 1973
  2. Quelle: Link
  3. Näheres und Quelle: Link
  4. Quelle und Näheres: Link

 

 


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