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JAZZ EINSTIEG – 2. von Rock zu Jazz


Jazz war früher einmal die Musik, die man hörte, wenn man jung war, weltoffen und eher intellektuell. In den 1960er Jahren kam dann der Rock und der drückte das Freiheitsbedürfnis der Jungen direkt aus. Auch war er leichter verständlich, sensationell neu und skandalös. So entzog er dem Jazz, der ohnehin mehr eine Insider-Musik war, viel an Zustrom. Der Jazz-Trompeter Miles Davis war an Erfolg gewöhnt und wollte nicht in eine Nische geraten. Daher versuchte er um 1970, auf die Rock-Welle aufzuspringen – mit einer Fusion, einer (englisch) Fusion von Jazz und Rock.1)

          HÖRBEISPIEL: Miles Davis: Right Off (1970)

Miles Davis experimentierte laufend. Er vereinfachte die Struktur seiner Musik noch weiter, erzeugte mit seiner Band mächtige, rockartige Sounds und inszenierte sich wie ein Magier aus einer anderen Welt.

          HÖRBEISPIEL: Miles Davis: Moja (1974)

Jazz-Kenner überzeugte diese Fusion-Music nicht recht und den meisten Rock-Fans war sie zu abgefahren. Aber Miles Davis weckte mit dieser Musik doch genug Interesse, um sie auf großen Rockveranstaltungen und Jazz-Festivals präsentieren zu können, und später wuchs noch das Interesse an seinen Sound-Experimenten der Jahre 1969 bis 1975.

Andere Musiker entwickelten andere Arten von Fusion-Music, zum Beispiel folgende mit beschwingtem Tanzmusik-Feeling und geschmeidigeren Sounds.2)

          HÖRBEISPIEL: Billy Cobham: On a Natural High (1976)

Der dunklere, harte Ausdruck des Rock geht auf den Blues zurück. Rock entstand ja im Wesentlichen dadurch, dass in England Blues-begeisterte junge Musiker ihre eigene Abwandlung von Blues entwickelten. Sie waren mit einer anderen Kultur aufgewachsen als die afro-amerikanischen Blues-Leute. Auch ihre Lebensverhältnisse waren ganz anders und später hatte der Rock oft kaum mehr etwas mit Blues zu tun. Manche Rock-Musiker legten aber weiterhin auf eine Verbindung zum Blues Wert. Der hat viel Seele, Soul.

Der Gitarrist und Sänger James „Blood“ Ulmer, der überwiegend zum Jazz gezählt wird, kam selbst aus der Gospel- und Blues-Musik. Seine folgende Aufnahme hat echtes Blues-Feeling und eine berührende Menschlichkeit.

          HÖRBEISPIEL: James Blood Ulmer: Spoonful (2001)

Dieser Song wurde zum ersten Mal im Jahr 1960 von Howlin‘ Wolf aufgenommen, der einer der bedeutendsten Vertreter der Blues-Tradition aus dem Baumwollanbaugebiet der Südstaaten der USA war. Schon seine Version dieses Songs war in ihrer Art unübertrefflich. Hier fügt die E-Gitarre mit schlankem, straffem Ton eine Art zweite Stimme hinzu.

          HÖRBEISPIEL: Howlin‘ Wolf: Spoonful (1960)

James „Blood“ Ulmer war Ende der 1970er Jahre in einer New Yorker Rock-Szene gefragt – mit einer Musik, die er „Black Rock“ nannte und die Rock, Funk und Jazz miteinander verband.3)

          HÖRBEISPIEL: James Blood Ulmer: Jazz Is The Teacher, Funk Is The Preacher (1980)

Der Gitarrist und Sänger Jean-Paul Bourelly hat ebenfalls vielfältige Wurzeln in afro-amerikanischer Kultur und macht eine neuartige, rockige Musik, die manchmal an Jimi Hendrix erinnert und musikalisch stark entwickelt ist.

          HÖRBEISPIEL: Stone Raiders: Toxic U (Episode II) (2011)

Jean-Paul Bourellys Musik lässt sich nicht in die üblichen Schubladen stecken und er spielt oft mit Musikern aus verschiedenen Musikbereichen. An einigen seiner Aufnahmen ist sogar ein west-afrikanischer Sänger beteiligt. Der wirkt mit seiner elektrisierenden Stimme und seinem arabischen Einschlag ein wenig fremdartig, doch spiegelt sein Gesang perfekt den Ausdruck der E-Gitarre wider. Diesen überspannten Ausdruck gab es also schon lange vor dem Rock.

          HÖRBEISPIEL: Jean-Paul Bourelly: New Afro Blu (1999)

Natürlich kann eine Stimme nicht den harten, metallischen Klang einer E-Gitarre haben und eine Gitarre erreicht nicht den vielfältigen, subtilen Ausdruck einer Singstimme. Die Blues-Musiker führen oft eine Art Dialog, indem die Gitarre den Gesang beantwortet. Die Stimme kommuniziert sehr persönlich und ihre Aussage kann dann von der Gitarre mit erweiterten musikalischen Möglichkeiten fortgeführt werden.

          HÖRBEISPIEL: Robert Cray: Smoking Gun (2010)

Blasinstrumente, vor allem Saxofone, kommen besonders nahe an die Ausdruckskraft einer Stimme heran und spielen daher im Jazz eine vorrangige Rolle. Allgemein haben in der afro-amerikanischen Kultur ausdrucksstarke Stimmen und ein stimmähnliches Spiel der Instrumente großes Gewicht. Das reicht vom ekstatischen Gospel-Gesang der Kirchen bis zum heulenden Gitarrenspiel des Blues, das dann in den Rock kam. So gesehen ist der Sprung von den Klängen des Rock zu folgender Aufnahme des Jazz-Saxofonisten Arthur Blythe nicht weit.

          HÖRBEISPIEL: Arthur Blythe: Bush Baby (1980)

Gesang ist in dieser Musik nicht mehr zu hören. Im nächsten Stück steht zwar wieder das schrille Saxofonspiel von Arthur Blythe im Vordergrund, die übrigen Instrumente klingen hingegen geglättet, weich, warm. Auch der kantige, rockige Rhythmus ist verschwunden. Nun kommt eine andere musikalische Qualität stärker zum Zug: Melodie – gestaltet von Arthur Blythe auf dem Saxofon.

          HÖRBEISPIEL: Arthur Blythe: My Son Ra (1980)

Starke Melodien zu bilden ist eine spezielle Kunst, die im Jazz großartig entwickelt wurde, vor allem in den Improvisationen. Während Songmelodien relativ kurz sind und wiederholt werden, damit sie sich einprägen, werden in der Jazz-Improvisation Melodien immer weiter fortgesponnen, sodass sie längere Linien ergeben – ähnlich wie die Gitarren-Soli in Blues und Rock, aber in wesentlich stärkerem Ausmaß. Im Jazz bilden die Improvisationen den wichtigsten Teil der Musik und in sie wird viel Kunst gesteckt.

Rock-Rhythmen haben meistens relativ einfache, gleichbleibende Muster. Im Jazz variiert der Rhythmus viel. Manchmal pulsiert ein swingender Beat im Hintergrund und eine Menge Rhythmus kommt von den Melodie-Instrumenten.

          HÖRBEISPIEL: Miles Davis: Miles (1958)

Die Rhythmusgruppe kann aber auch einen reißenden Fluss erzeugen, der die Solisten antreibt – ohne sie mit starren Mustern einzuschränken.

          HÖRBEISPIEL: Woody Shaw: Tapscott's Blues (1974)

Es gibt eine Menge Musik, die eine Brücke von Rock zu Jazz bilden kann. So kann jeder nach eigenem Geschmack zum Jazz kommen. Meine Beispiele sind nur einige wenige, die mich angesprochen haben.

 

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Fußnoten können direkt im Artikel angeklickt werden.

  1. Mehr zu Miles Davis‘ Fusion: Link
  2. Mehr zu Fusion: Link
  3. Mehr zu James „Blood“ Ulmer: Link

 

 


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