Radio / Videos
Verzeichnis aller Artikel

 

Steve Coleman über Ornette Coleman


Ornette Coleman sei im Grunde ein Blues-Musiker gewesen, aber ein schräger. Er habe sich nach einer Öffnung umgesehen und Charlie Parkers Musik gehört. Er (Steve Coleman) habe das mehreren Interviews Ornette Colemans entnommen. Er habe Parkers Musik gehört und in ihr eine Türe gesehen. Er habe nicht Parkers Musik kopieren wollen, aber sie als Ausweg aus dem System gesehen, in das er hineingeboren worden war. Parkers Musik sei in gewisser Hinsicht, in Bezug auf Möglichkeiten, weit offen. Ornette Coleman habe einiges davon genommen, nicht alles, wie es Berry Harris tat. Musiker wie Harris hätten diese Musik genommen, sich für sie begeistert und dann das, was Parker, Dizzy Gillespie und so weiter machten, als Regeln definiert. Heute würden Musiker dasselbe machen. Ornette habe in Parkers Musik hingegen eine Sensibilität und eine Art von Technologie gesehen, die er dazu verwenden kann, sein Blues-Zeug hochzuschalten. Er lernte einiges davon und sein erstes Album sei noch hybrid, eine Art wildes Parker-Zeug. Einiges daran klinge noch wie Rhythm-Changes und so weiter. Dann habe er mit seiner Band den nächsten Schritt gemacht und sich gesagt, dass sie das nicht brauchen, ihr Spiel dieser Form nicht folgen muss, sondern einfach der Form der Melodie folgen kann. Das sei eine Blues-Sache. Die Form der Delta-Blues-Musiker sei veränderlich und ergebe sich aus der Phrase, die sie spielen oder singen. Sie bestehe nicht aus 12 Takten oder so etwas, sondern gehe mit der Phrase der Melodie. Ornette habe sich gesagt, warum sollte er nicht die Technologie von Parker haben und zugleich alles einfach der Melodie folgen lassen, nicht einer festgelegten Sache. Henry Threadgills Musik sei eine Weiterentwicklung von all diesem veränderlichen Zeug. Natürlich sei er auch von einigen europäischen Sachen beeinflusst, aber er habe auf sie geblickt, wie Ornette Parker gesehen habe. Threadgill habe in Ornette die Türe gesehen, aber ihn nicht kopieren wollen, sondern durch ihn den Pfad gefunden, auf dem er für den Rest seines Lebens ging. Für ihn (Steve Coleman) repräsentiere Parkers Musik dasselbe. Verschiedene Musiker würden jedoch, je nach dem, was in ihrem Inneren ist, unterschiedliche Wege einschlagen. Er habe darüber neulich ein langes Gespräch mit James Newton gehabt. Sie hätten in vielem übereingestimmt, aber Newton sei näher an der Ornette-Sache, während er näher an der Parker-Sache sei. Man habe unterschiedliche Zugänge oder unterschiedliche Wege des Herangehens. Das habe nichts mit „Bebop“ und so weiter zu tun. Sie alle, Ornette, Threadgill und er, seien von derselben Sache beeinflusst, aber es komme darauf an, wie man die Melodie betrachtet, die Harmonie, ob man etwas verwirft oder es verwendet und umformt und so weiter. Auch Coltrane habe sich offensichtlich in all das vertieft. Coltrane habe sich Ornettes Sache angesehen und sich gefragt, was er davon verwenden kann und wie er es auf der Basis seiner eigenen Sichtweise verwenden kann. Letztlich laufe es darauf hinaus, wie man denkt, ob man mehr ein Präzisions-Typ ist oder ein … Jeder sei emotional, aber verschiedene Leute hätten unterschiedliche Arten, es auszudrücken.1)

Eines der größten Geschenke Ornette Colemans an diese Musik sei, dass er vorführte, dass man es nicht auf diese bestimmte Weise machen muss, sondern auch anders machen kann. Er habe schließlich auch einen Namen für all sein Zeug gehabt, „Harmolodics“, aber darauf kommt es nicht an. Die Kritiker hätten sich darin verfangen, aber man müsse in die tatsächliche Musik blicken und sehen, was Ornette macht. Es sei belanglos, wie er es nannte. Harmolodics, Bebop, M-Base … nichts davon spiele ein Rolle. Er habe Ornettes Sache immer als durchaus diatonisch gesehen, selbst seine späteren Sachen. Es habe absolut diese Blues-Art oder -Würze an sich und er sei wirklich gut in der Melodie gewesen. Es gebe in Charlie Parkers Spiel eine Art lyrischen Teil und dieser Art Blues-Cry werde von Schulmusikern ignoriert. Dieser Teil habe Ornettes Empfinden entsprochen und er habe Parkers Musik als technologisch verfeinerte Version davon wahrgenommen. Ornettes Melodien würden dieser Sache folgen, aus ihr herauskommen. Sie hätten mehr diese Cry-Art. Es sei nicht eine einzige Sache, aber seine Melodien hätten eine gewisse Qualität. Es sei nicht die Qualität von Parkers Melodien, sondern wie die bestimmter Vögel … Mit dem fleischigeren Teil, mit dem Musiker wie Don Byas arbeiteten, habe sich Ornette jedoch nicht befasst. Coltrane hingegen sei in diese Richtung gegangen.2)

Von Freeman habe im Alter zu ihm gesagt, es gebe nur eine Tonart, keine verschiedenen Tonarten. Offenbar sei für ihn alles zu einer Sache verschmolzen. Er (Steve Coleman) beginne, ebenfalls zu dieser Eine-Tonart-Sache zu gelangen.3)

Auf die Frage, ob es richtig ist, dass man zu dieser Eine-Tonart-Sache in einem langen Prozess gelangt, den man nicht einfach überspringen kann, sagte Steve Coleman: Er glaube, Ornette Coleman habe ihn in gewisser Weise übersprungen, indem er in gewisser Weise einfach seinem puren Empfinden folgte. Er scheine das immer gemacht zu haben. Möglicherweise habe er einfach den emotionalen Weg gewählt und sich gesagt, das andere Zeug brauche er nicht. Jeder habe seine eigene Art vorzugehen. Für ihn (Steve Coleman) sei es keine Frage, ob man es überspringt oder nicht, sondern eine Frage seiner Persönlichkeit. Wenn man der Typ ist, der durch eine gewisse Art von Prozess gehen muss, dann mache man das. Ornette und Coltrane hätten dieselbe Sache gemacht, indem sie immer mehr sie selbst wurden. Das bedeute jedoch für jeden Musiker etwas anderes. Auch wenn Coltrane von Charlie Parker beeinflusst war, so ging er ab einem bestimmten Punkt nicht denselben Weg. Und Ornette sei seinen Weg gegangen. Beide seien aus Parker hervorgegangen, aber hätten unterschiedliche Wege eingeschlagen. Er meine nicht, dass sie nur aus Parker kamen. Parker sei ein gemeinsamer Punkt. Aber sie hätten verschiedene Aspekte aufgegriffen.4)

Wenn man sich Bienen in einem Bienenstock ansieht, so würden sich diese nicht in 4/4 bewegen. Dennoch hätten ihre Bewegungen eine Form, eine Gestalt. Musik könne genauso sein. Das sei eine der Sachen, die Ornette Coleman mit der Melodie-Sache anstrebte. Er habe die Melodie-Sache ihre eigene Form bestimmen lassen. Man müsse kühn sein, um das durchzuziehen und den Rest der Band dem folgen zu lassen. Er (Steve Coleman) sei daran interessiert, das in einer gewissermaßen präziseren Weise zu machen. Das gelte wohl auch für Henry Threadgill, denn der sei auch ein Form-Musiker, mehr als es Ornette gewesen sei. Threadgills Formen seien anders, veränderlich, aber doch Formen. Threadgill habe diese Sprache [Ornette Colemans] aufgegriffen, sei dann aber in eine andere Richtung gegangen, betrachte diese Sprache allerdings immer noch als seinen Zugang. Er (Steve Coleman) höre eine direkte Verwandtschaft zwischen Threadgill und Ornette, denn Threadgill sei absolut nicht in der Parker-Sache. Er habe ihm selbst gesagt, dass es nicht Parkers Musik war, die ihn ansprach, zu der er sich hingezogen fühlte, sondern Ornettes Musik. Er (Steve Coleman) möge bis zu einem gewissen Grad beide, aber es sei offensichtlich, dass er mehr auf der Seite von Parker ist.5)

 

Zurück zu Freiheit

Verzeichnis aller Artikel

 

——————————————————

Fußnoten können direkt im Artikel angeklickt werden.

  1. QUELLE: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Blog/M-Blog Episode 25: Astronomy I – Cycles and Geometry, Audio im Abschnitt 1:04:01 bis 1:08:55 Stunden/Minuten/Sekunden, veröffentlicht 2014/2015, Internet-Adresse: http://m-base.net/
  2. QUELLE: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Blog/M-Blog Episode 25: Astronomy I – Cycles and Geometry, Audio im Abschnitt 1:09:46 bis 1:13:46 Stunden/Minuten/Sekunden, veröffentlicht 2014/2015, Internet-Adresse: http://m-base.net/
  3. QUELLE: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Blog/M-Blog Episode 25: Astronomy I – Cycles and Geometry, Audio im Abschnitt 1:31:00 bis 1:32:03 Stunden/Minuten/Sekunden, veröffentlicht 2014/2015, Internet-Adresse: http://m-base.net/
  4. QUELLE: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Blog/M-Blog Episode 26: Astronomy II – Only One Key, Audio im Abschnitt 0:25:21 bis 0:27:41 Stunden/Minuten/Sekunden, veröffentlicht 2014/2015, Internet-Adresse: http://m-base.net/
  5. QUELLE: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Blog/M-Blog Episode 26: Astronomy II – Only One Key, Audio im Abschnitt 1:18:51 (Stunden/Minuten/Sekunden) bis zum Ende, veröffentlicht 2014/2015, Internet-Adresse: http://m-base.net/

 

 

Kontakt / Offenlegung