Radio / Videos
Verzeichnis aller Artikel

 

Josts Progressivität


Der Jazz-Kritiker Joachim-Ernst Berendt berichtete im Jahr 1977, es sei vielen berühmten Jazz-Musikern1) bei Auftritten in Berlin „schlecht ergangen“, weil das Publikum dort aus Verbundenheit mit dem Free-Jazz die Jazz-Tradition ablehnte. Aus der halben Welt sei das Verhalten dieses Publikums mit Kopfschütteln kommentiert worden und Musiker von Frank Zappa bis Keith Jarrett hätten es zu Recht als „neurotischen Fall“ betrachtet.2) Berendt meinte, so etwas käme nirgendwo sonst im damaligen West-Deutschland oder sonst auf der Welt vor und das Publikum sei durch eine unterentwickelte Jazz-Kritik in Berlin falsch beeinflusst worden.3)

Allerdings hatten damals nicht nur in Berlin, sondern in ganz (West-)Deutschland viele Jazz-Hörer eine besondere Vorliebe für den Free-Jazz. Berendt schrieb: „Free Jazz – in den meisten Ländern als ‚unverkäuflich‘ verschrien – füllt in Deutschland alljährlich ganze Festivals […]. Bereits in den 1960er Jahren konnte es […] der Chefredakteur des französischen Jazz Magazine nicht fassen, dass es auf einem einzigen Festival (es handelte sich um das Frankfurter) so viel Free Jazz gab und dass alle diese Free-Jazz-Ensembles so viele Menschen anzogen.“4) Im Jahr 1970 trat beim Frankfurter Jazzfestival „neben einigen wenigen dem Spätbop oder Modern Jazz verpflichteten Formationen […] rund ein Dutzend überwiegend westdeutsche Gruppen auf, die in ihrer stilistischen Orientierung allesamt in Richtung Avantgarde [Free-Jazz] wiesen […].“5) Eine Jazz-Zeitschrift berichtete zu diesem Festival unter dem Titel Der breite Vorstoß in den Free Jazz: „Die Jazzszene ist aktiv, und der Entwicklungsprozess erfährt keine Unterbrechung […]. Mehr als auf anderen Gebieten der Musik machen sich kreative Kräfte bemerkbar, die heute das Neue schaffen, das morgen oder übermorgen einem großen Musikmarkt Auftrieb gibt.“6)

Diese damalige Erwartung, dass Free-Jazz zum großen Geschäft werden könnte, wirkt heute seltsam unrealistisch. Doch waren im Klima der Zeit nach der 1968er Studentenbewegung hohe Erwartungen an einen gesellschaftlichen und kulturellen Fortschritt Gang und Gäbe und Free-Jazz war eine ausgezeichnete Projektionsfläche für das Verlangen nach radikaler Veränderung. Nur mit dieser damaligen Aufbruchsstimmung lässt es sich erklären, dass für eine so unbequeme, sperrige Musik wie Free-Jazz ein größeres Publikum entstehen konnte. Es brauchte dazu allerdings auch das „Moderne Kunst“-Verständnis, das viele Europäer mitbrachten und das ebenfalls die Fortschrittsidee enthielt. So bekam der Free-Jazz einige Jahre lang in Europa einen Zustrom junger Leute und die Unterstützung kämpferischer Intellektueller wie Berendt und Ekkehard Jost, der Musikwissenschaft lehrte. Das Interesse des jungen Publikums schwand schließlich, doch die Fortschrittsideen der Intellektuellen hinterließen in der Jazz-Literatur einen bleibenden Niederschlag, der die Darstellung der Jazz-Geschichte im deutschsprachigen Raum erheblich beeinflusste. In Berendts Jazzbuch blieb der „freie“ Geist vor allem im Kapitel über die 1960er Jahre7) erhalten, nach dem der Free-Jazz eher als zeitlich begrenzte Episode der Jazz-Geschichte erscheint. Jost hingegen verkörperte den konsequenten, standhaften Free-Jazz-Anhänger weit über die damalige Zeit hinaus.

Er stellte in seiner Sozialgeschichte des Jazz (2003) fest, dass die „freien Spielweisen, der Mut zum Experimentellen und zum Widerspruch“ in den 1970er Jahren von den Wellen der „Fusion Music“ und des „Neobop“ in den Hinter- und Untergrund gedrängt wurden.8) Unter „Neobop“ verstand er ein mit dem Dixieland-Revival der 1940er Jahre vergleichbares Revival des „Bebop“9), das er  als „Rückbesinnung auf die alten Werte des ‚swingenden Jazz‘“ und als „Zelebrierung der Vergangenheit“10) mit dem Charakter einer Flucht aus der Gegenwart verstand11). Diese Strömung habe älteren [ausgezeichneten, überwiegend afro-amerikanischen] Musikern wie Dexter Gordon, Sonny Stitt und Woody Shaw wieder mehr Aufmerksamkeit verschafft. Viele junge Musiker würden sich an ihnen orientieren und unter Hörern habe das Interesse an ihren Spielweisen zugenommen, was unter anderem der New Yorker Jazz-Klub-Szene zu einem Aufschwung verholfen habe.12) – Doch warum sollte es Vergangenheit gewesen sein, was diese älteren Musiker spielten? Weil es ihren Stil schon länger gab? Hätten sie zu spielen aufhören oder ihre Musik mit „Free“-Elementen „aufbrechen“ sollen? Oder hätte bloß niemand mehr Gefallen an ihrer Musik finden dürfen? Dabei hatte ihre Musik Qualitäten, die vom Free-Jazz keineswegs ersetzt wurden. Die als „Bebop“ bezeichnete Musik wurde in Wahrheit auch nicht „wiederbelebt“ (in Form eines Revivals), denn die älteren Musiker hatten in all den Jahren der Free-Jazz-Diskussionen weiterhin ihre begrenzten Auftrittsmöglichkeiten und bewährten sich vor ihrem kleinen Publikum, während der Free-Jazz nach Josts Darstellung in den USA eine so gut wie „unverkäufliche Ware“ war13) und weitgehend blieb14). Auch in Europa hatte der Free-Jazz bald nur mehr eine sehr kleine Anhängerschaft und war schließlich nicht mehr aktueller als andere Formen des Jazz. Für Jost blieb er dennoch die einzige „zeitgenössische“, „gegenwartsbezogene“ Art von Jazz. In neuerem Jazz sah Jost eine rückwärtsgerichtete Tendenz, eine „Re-Installierung des beat15) und eine „Re-Installierung eines harmonisch-melodischen Schönklanges“16) – so, als hätte die im Free-Jazz häufig vollzogene Aufhebung des Beats und Zerstörung von Schönklang endgültig sein sollen. Wiederveröffentlichungen älterer Aufnahmen von Meistern der Jazz-Tradition bezeichnete Jost als „nekrophile Kompilationen jazzhistorischer Heldenfiguren“.17) Den von Wynton Marsalis repräsentierten Traditionalismus nannte er „Welle des Neokonservativismus“18) und brachte ihn zu Unrecht mit der neoliberalen Politik der amerikanischen Präsidenten Reagan und Bush in Verbindung19).

Wie Berendt betrachtete auch Jost die Jazz-Entwicklung als ein Durchlaufen einer Reihe von acht20) großen Stilbereichen, und zwar ebenfalls mit „innermusikalischer Folgerichtigkeit“ und einer „gewissen Regelmäßigkeit“.21) Diese Stile waren nach Josts Darstellung jeweils „für ein paar Jahre in den Vordergrund des Publikums- und Medieninteresses“ getreten, um dann „durch einen neuen Stil abgelöst zu werden“. Die „Folgerichtigkeit“ habe sich dadurch ergeben, dass die Musiker neue Materialien, Techniken und Konstruktionsverfahren mit einer „gewissen inneren Logik“ erschlossen hätten. Musikalisches Material sei „ermüdet“ und dann erneuert worden und dabei habe eine „schrittweise Emanzipation“ von musikalischen Regeln stattgefunden. Der Free-Jazz habe schließlich „nahezu alle bisher gültigen Regeln für null und nichtig erklärt“, sodass sich danach die Frage stellte, was nun „zu tun bleibt“. Somit sei die stilistische Entwicklung des Jazz bis zum Free-Jazz „quasi linear“ verlaufen und dann in den 1970er Jahren zum Stillstand gekommen.22) Die „innermusikalische Folgerichtigkeit“ oder „innere Logik“ der Entwicklung bestand in Josts Augen offenbar in einer „schrittweisen Emanzipation“ von musikalischen „Regeln“, „Normen“23) oder „normativen Prinzipien“24). Was auch immer Jost darunter verstand25), so ist in der Jazz-Geschichte in Wahrheit jedoch kein genereller Trend zu einer Reduzierung von „Regeln“ erkennbar. Vielmehr nahmen Strukturen, Vorgaben und Erwartungen (in einem oder in mehreren Aspekten, in bestimmten Jazz-Bereichen, bei einzelnen Musikern) einmal zu, einmal ab, ohne dass eine generelle Systematik erkennbar wäre.

Für Jost waren „Mut zur Regelverletzung“26), „Unbekümmertheit um etablierte Normen“27), „Widerspruch“28), „Opposition“29), „Widerstand“30), „Aufmüpfigkeit“31), „Mut zum Experimentellen“32) und „Mut zum Risiko“33) offensichtlich wichtige Aspekte des Jazz. Diese Gesichtspunkte erinnern an den Geist der Studentenbewegung der 1968er Zeit und in den 1990er und 2000er Jahren weckten manche Formen von Free-Jazz als Ausdruck von Wildheit und Unangepasstheit gar das Interesse von Hard-Rock-Fans.34) Dem tiefgründigen Gehalt der Kunst von Musikern wie Charlie Parker und John Coltrane entspricht ein solches Musikverständnis jedoch genauso wenig wie den Werken Ludwig van Beethovens und Johann Sebastian Bachs. Auch Ornette Coleman und Cecil Taylor, die als Initiatoren und bedeutendste Vertreter des so genannten Free-Jazz gelten, leisteten nicht einfach Widerstand, übten nicht Regelverstoß oder experimentierten bloß, sondern versuchten, ihre Vorstellungen von ausdrucksstarker, intensiver, sogar schöner Musik in möglichst vollendeter Form zu entfalten.

Im Zusammenhang mit früheren Jazz-„Stilen“ beschrieb Jost treffend, wie Jugendliche aus „weißen“ bürgerlichen Schichten den Jazz als Projektionsfläche für ihren Nonkonformismus benutzten und damit missdeuteten.35) Zu seinen eigenen Interpretationen fehlte ihm offenbar eine entsprechende Distanz und von einem tiefgehenden Empfinden für die Musik großer Meister wie Parker und Coltrane wurde sein Interesse am Jazz anscheinend nicht getragen. Dass die typisch europäische Kunstvorstellung von folgerichtigem Fortschritt für die afro-amerikanische Musiktradition des Jazz nicht maßgeblich sein könnte, scheint er nicht in Betracht gezogen zu haben. In der Summe fuhr seine Betrachtungsweise die Jazz-Geschichte praktisch an die Wand, da die gepriesene „Befreiung“ zwangsläufig zu einem Endpunkt führte36) und in Bezug auf die Qualitäten der Jazz-Tradition einen Scherbenhaufen hinterließ.

 

Zurück zu Jazz-Stile

Verzeichnis aller Artikel

 

——————————————————

Fußnoten können direkt im Artikel angeklickt werden.

  1. Joachim-Ernst Berendt: „[…] Earl Hines, Anita O’Day, Duke Ellington, Sonny Stitt, Jay McShann, Stan Getz, Sarah Vaughan, Billy Eckstine, Lee Konitz, Willie ‚The Lion‘ Smith und dem Modern Jazz Quartet – um nur wenige Namen zu nennen […]“ (QUELLE: Joachim-Ernst Berendt, Ein Fenster aus Jazz, 1977, S. 18)
  2. QUELLE: Joachim-Ernst Berendt, Ein Fenster aus Jazz, 1977, S. 18
  3. Berendt: „Ich meine […], es hat keinen Zweck, nur immer weiter auf diesem Publikum herumzuhacken, wie es verschiedene ausländische Kritiker getan haben. Das Publikum wurde durch seine ‚Jazz-Kritik‘ – fast nur in Anführungszeichen ist dieser Begriff in Berlin verwendbar – konditioniert. Diese Stadt ist die einzige Weltstadt ohne eine entsprechend entwickelte Jazzkritik. Jede mittlere westdeutsche Großstadt hat diesbezüglich mehr zu bieten als die ehemalige Reichshauptstadt.“ (QUELLE: Joachim-Ernst Berendt, Ein Fenster aus Jazz, 1977, S. 19). – Aber spielte dafür tatsächlich nur die regionale Jazz-Kritik eine Rolle? Waren die Hörer nicht unter anderem auch von Berendts Sendungen und Büchern beeinflusst? Berendt schrieb im Zusammenhang mit dem Verhalten des Berliner Publikums: „Ich habe mich, solange ich über Jazz schreibe, als Anwalt der Avantgarde gesehen und bin deshalb oft genug angegriffen worden. Aber eine Avantgarde ist, wie der Name sagt, wirklich immer nur die Avantgarde der Kunst, ein Ausschnitt also, niemals das Ganze. Wir müssen den ‚ganzen‘ Jazz sehen lernen.“ (QUELLE: Joachim-Ernst Berendt, Ein Fenster aus Jazz, 1977, S. 18). Sah er sich da selbst zu einer Korrektur seines Wirkens veranlasst?
  4. QUELLE: Joachim-Ernst Berendt, Ein Fenster aus Jazz, 1977, S. 245
  5. QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 267
  6. QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 267
  7. QUELLE: Joachim-Ernst Berendt, Das Jazzbuch, 1989, S. 43ff.
  8. QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 286
  9. QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 282
  10. QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 284
  11. QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 285
  12. QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 284f.
  13. QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 268
  14. Jost nannte zum Beispiel zwei Jazz-Klubs die „letzten beiden Bastionen des zeitgenössischen Jazz in New York“ (QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 300)
  15. QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 274
  16. QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 276
  17. QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 295
  18. QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 322
  19. Jost: „Dass diese nach rückwärts gerichtete Strömung im Jazz [Welle des Neokonservatismus] mit einer ähnlich gearteten Tendenz im allgemein-gesellschaftlichen Kontext zusammenfällt, muss nicht unbedingt auf kausale Zusammenhänge hindeuten. Die Welle des Neo-Bop wurde sicher nicht durch die Reagan/Bush-Ära verursacht, sie passte jedoch sehr gut mit ihr zusammen.“ (QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 346)
  20. nach Jost: New Orleans/Dixieland-Jazz, Chicago-Jazz, Swing, Bebop, Cool/Westcoast-Jazz, Hardbop, Free-Jazz und Rock-Jazz
  21. QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 321
  22. QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 317, 321, 385 und 387
  23. QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 352
  24. QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 321
  25. Vorgegebene Strukturen als Basis für Improvisationen (ein Akkord-Gerüst, gewisse Modi, rhythmische Patterns)? Die Erwartung von Harmonie (inwieweit Dissonanz toleriert oder erwünscht ist)? Schlechthin alle Anforderungen an Musiker (zum Beispiel im Free-Jazz-Bereich, dass Improvisations-Beiträge nicht wohlklingend sein sollen)?
  26. QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 386
  27. QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 352
  28. QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 286
  29. QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 286
  30. QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 352
  31. QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 285
  32. QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 286
  33. QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 352
  34. Jost berichtete davon in Bezug auf die USA. (QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 379) – Ein Jazz-Hörer erzählte von einem Konzert des deutschen Free-Jazz-Saxofonisten Peter Brötzmann im Jahr 2008: „Als Brötzmann in Darmstadt spielte, standen in den hinteren Reihen vielleicht 10 oder 15 Hardcore-Fans, alle schwer tätowiert und gepierct, womöglich ein glühendes Hufeisen noch auf den Bauch gebrannt – aber die fanden den Gig megaspannend. Ich konnte mich mit einigen unterhalten und einer sagte, dass ihn solche Musik genauso antörnt wie der polterndste Hard- oder Metalcore. Dass das so wild und frei ist.“ (QUELLE: Jazz-Talk-Forum der Internetseite-Seite Jazz-Pages, Beitrag von Flow vom 19. Mai 2008, Internet-Adresse: http://www.jazzpages.com/forum/showthread.php?p=13214&highlight=hufeisen#post13214)
  35. Jost zu den Chicagoens: „Die Chicagoens, geboren um 1906, entstammten zum überwiegenden Teil angloamerikanischen Mittelklassefamilien […]. Die Chicagoens waren zweifellos auch die ersten Musiker, die ihre Hinwendung zum Jazz als Protest gegen ihre bürgerliche Umwelt verstanden. Den New Orleansern – gleich ob schwarz oder weiß – wäre so etwas niemals in den Sinn gekommen.“ (QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 64) – Über die Bebop-Anhänger: „Die Zuneigung der Beatniks zu den Bopmusikern beruhte nicht auf Gegenseitigkeit. Zwar sprachen beide die gleiche Sprache und hatten – zumindest zum Teil – den gleichen erratischen Lebensstil. Doch fühlten sich die Musiker durchaus missverstanden, wenn sie mit dem großen Heer von ziellosen Hipstern [Hipster wird hier offenbar gleichbedeutend mit Beatnik verwendet] in einen Topf geworfen wurden, mit unernsten Ausflippern (der Begriff kam damals auf!), die niemals die Mühen auf sich genommen hätten, die das Erlernen eines musikalischen Handwerks mit sich brachte, und deren wesentlichste Art von Kreativität im Entdecken von immer neuen kicks bestand.“ (QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 139)
  36. Spätestens bei der Produktion unrhythmischer Geräusche ist zwangsläufig der Endpunkt der „Befreiung“ erreicht. Wie Jost schrieb, stellte sich nach der völligen „Befreiung“ die unlösbare Frage: „Was bleibt zu tun?“ (QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 321)

 

 

Kontakt / Offenlegung