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Jazz-Verständnis


Das Wort „Jazz“ kam in den 1910er Jahren aus dem Sportbereich und bedeutete so viel wie Elan, Vitalität, Kraft, Schwung.1) Es wurde von „weißen“ Bands verwendet, um ihrer Tanzmusik ein flottes, modisches Image zu verleihen.2) So war „Jazz“ zunächst eine Art buntes Etikett für den Musikmarkt, keine Bezeichnung für eine bestimmte, abgrenzbare Musikart.3) Was die Musik dieser Bands neuartig, schwungvoll und schließlich erfolgreich machte, war vor allem eine Nachahmung von Spielweisen, die in afro-amerikanischer Subkultur entwickelt wurden.4) Insofern bezog sich der Ausdruck „Jazz“ bereits damals indirekt auf afro-amerikanische Qualitäten. Doch waren es zunächst „weiße“ Bands, die die Bezeichnung „Jazz“ verwendeten. Ihr Erfolg ließ ähnliche Bands entstehen und veranlasste auch andere Gruppen, den Ausdruck zu übernehmen, sodass schon um 1920 sehr unterschiedliche Arten von Tanzmusik als Jazz bezeichnet wurden: „Weiße“ Dixieland-Bands aus New Orleans präsentierten ihre Musik in den großen Städten des Nordens, Chicago und New York, und lösten eine international verbreitete, „verrückte“ Jazz-Mode aus. Auch gediegene Orchestertanzmusik, die nur wenig von den afro-amerikanischen Spielweisen enthielt und in exklusiven Hotels für Gesellschaftstänze wie dem Foxtrott gespielte wurde, war als Jazz beliebt. Die „synkopierte“ Musik der afro-amerikanischen Militärkapelle von James Reese Europe, der in New York ansässig war und schon vor der Jazz-Mode Erfolg hatte, wurde nun zum Beispiel ebenfalls Jazz genannt.5) In Europa wurde unter Jazz nahezu jede amerikanische Musik mit Schlagzeugbegleitung verstanden.6)

Heute gilt als erste Form von Jazz die in New Orleans von Afro-Amerikanern entwickelte Tanzmusik, die Louis Armstrong in den 1910er Jahren dort zu spielen lernte. Sie wurde dort allerdings noch nicht Jazz, sondern Ragtime genannt.7) Armstrong folgte im Jahr 1922 seinem Mentor und Vorbild8) nach Chicago, um in dessen Band9) die Musik aus New Orleans aufzuführen. In den Jahren 1925 bis 1928 konnte Armstrong dann in Chicago unter eigenem Namen mit einer ähnlichen Band10) Schallplatten aufnehmen. Dabei sprengte er allmählich das Zusammenspiel der Blasinstrumente, das für diese New-Orleans-Musik typisch war11), mit so brillanten Soli, dass diese Aufnahmen aus heutiger Sicht den Beginn großartigen Jazz-Spiels bilden. Die Schallplatten wurden damals für die arme, diskriminierte afro-amerikanische Bevölkerung produziert, der ihre Musik so wichtig war, dass sie trotz Armut einen für Plattenfirmen ausreichend lukrativen Markt bildete. Auch einige junge „weiße“ Musiker und Jazz-Fans begeisterten sich bereits damals für Armstrongs Musik, aber sie war eine Musik, die im afro-amerikanischen Ghetto zuhause war. – Ende der 1920er Jahre schuf der afro-amerikanische Bandleader Duke Ellington in New York den ersten herausragenden, heute noch reizvollen Bigband-Jazz und er kam dank des sich etablierenden Radios bei einem größeren, überwiegend „weißen“ Publikum an. Allerdings war dieser Erfolg mit einem problematischen Image verbunden: Ellingtons „Dschungelklänge“ hatten einen exotischen Reiz, wurden aber – wie auch die „heiße“ Musik Armstrongs und anderer afro-amerikanischer Musiker – überwiegend als Ausdruck triebhafter Primitivität verstanden, die Afro-Amerikanern generell zugesprochen wurde. Obwohl sie rückblickend die bedeutendsten Beiträge leisteten, mussten sie im „Jazz-Age“, wie die 1920er Jahre öfters bezeichnet wurden12), und auch später stets gegenüber den „weißen“ Stars zurückstehen und erhielten in der „weißen“ Mehrheitsgesellschaft wenig Anerkennung für ihre kulturelle Leistung.
Mehr dazu: Schattenkultur

Einzelne junge „weiße“ Jazz-Anhänger wiesen allerdings schon früh darauf hin, dass von all dem, was Jazz genannt wurde, vor allem die Beiträge afro-amerikanischer Musiker wie Armstrong und Ellington authentisch, tiefgründig, ausdrucksstark und künstlerisch bedeutend sind. Sie betrachteten diese afro-amerikanischen Musiker als die wahren Schöpfer des Jazz und sahen diese Musik in Verbindung mit älteren Formen afro-amerikanischer Volkskultur wie den Spirituals und dem Blues. So war Jazz in ihren Augen keine beliebige Bezeichnung für modische Unterhaltungsmusik mehr, sondern eine kunstvolle Musikart, die im Wesentlichen von afro-amerikanischen Elementen geprägt ist. Diese ersten so genannten Jazz-Kritiker konnten sich in den 1930er Jahren zunehmend Gehör verschaffen, aber zunächst nur wenig daran ändern, dass im Allgemeinen primär die schlagerartige Musik erfolgreicher „weißer“ „Sweet“- und „Swing“-Bands als Jazz wahrgenommen wurde.13) Die Jazz-Kritiker waren nicht frei von Vorurteilen, Verklärungen und Eigeninteressen und entwickelten fragwürdige „Stil“-Kategorien, Definitionen und historische Deutungen. Ihre Meinungsverschiedenheiten verschärften sich, als in den 1940er Jahren junge Musiker der so genannten Bebop-Bewegung schwierigere, nicht mehr als Tanzmusik gedachte Spielweisen etablierten. Im Gegenzug zu dieser modernen Bewegung des Bebop lebte neben ihr ein starkes Interesse an den alten Spielweisen aus New Orleans wieder auf und das förderte das Verständnis für die Herkunft des Jazz aus afro-amerikanischer Subkultur. Mit der praktisch rein afro-amerikanischen Bebop-Bewegung waren andererseits auch in der aktuellen, zukunftsweisenden Entwicklung des Jazz Afro-Amerikaner die entscheidenden Innovatoren. Im Laufe der Zeit kristallisierte sich die unter Jazz-Kritikern schließlich allseits akzeptierte Auffassung heraus, dass Jazz im Kern eine kunstvolle, afro-amerikanische Musikart ist.
Mehr dazu: Echter Jazz

So erhielt der Ausdruck „Jazz“ eine andere Bedeutung, als er ursprünglich als Modewort eines Tanzmusiktrends hatte, und dadurch veränderte sich auch die Sicht auf die Vergangenheit. Die ersten Gruppen, die sich Jazz-Band nannten, sind kaum mehr von Belang, auch wenn sie durch ihre Verwendung des Jazz-Wortes, durch ihre ersten Tondokumente, ihren Publikumserfolg und Einfluss nach wie vor einen Platz in der Jazz-Geschichte einnehmen. Jazz im heutigen Sinn wurde nicht als Ganzes „geboren“, sondern kristallisierte sich allmählich aus älteren afro-amerikanischen Spielweisen heraus, die weit zurückreichen.
Mehr dazu: Ursprünge

Lange Zeit sog der Jazz jedoch als Tanz- und Unterhaltungsmusik auch Elemente aus der populären Musik der jeweiligen Zeit auf. Auch war schon bald urbane Gewandtheit, Versiertheit und Kunstfertigkeit ein Anliegen von Jazz-Musikern und in diesem Zusammenhang war der Reichtum der aus Europa stammenden Musikkultur von Interesse, auch wenn er in eigener Weise genutzt wurde. „Weiße“ Jazz-Musiker brachten häufig einen stärker mit „klassischer“ oder populärer Musik verbundenen Zugang mit und steuerten damit manches bei, das auch afro-amerikanische Musiker schätzten. Die afro-amerikanische Jazz-Tradition war somit selbst auf vielfältige Weise mit europäisch-stämmiger Musik verwoben. Außerdem umfasste sie schon nach wenigen Jahrzehnten eine beträchtliche stilistische Vielfalt und sie wurde zwar von den Jazz-Kritikern als Ursprung und zentraler Teil des Jazz verstanden, doch war der Jazz-Begriff nie auf sie beschränkt. Vielmehr zählten stets viele verschiedene Musikerkreise zum Jazz, die sehr unterschiedliche kulturelle Hintergründe und Schwerpunkte hatten, und zu allen Zeiten gab es fließende Übergänge zu anderen Musikarten. Das Spektrum des Jazz war daher seit jeher breit und nicht klar begrenzt – und es wurde laufend erweitert. In seiner Gesamtheit besteht der „Jazz“ genannte Musikbereich aus einer Vielzahl mehr oder weniger zusammenhängender Entwicklungen, Verzweigungen und Ableitungen. Ihn anhand von Merkmalen so zu definieren, dass jede zu ihm gezählte Musik erfasst wird und sich eine deutliche Unterscheidung von anderen Musikarten ergibt, ist nie befriedigend gelungen und nach allen Erweiterungen seiner Bandbreite heute weniger möglich denn je. Das ist keine Besonderheit des Jazz, sondern eine allgemeine Eigenschaft derart weiter Kategorien, zum Beispiel auch der der „klassischen“ Musik im Sinne der gesamten europäischen Kunstmusik von der Renaissance bis zur Moderne. Trotz ihres vagen Charakters können solche weiten Begriffe durchaus nützlich sein. – Jazz war und bleibt daher zwangsläufig eine umstrittene Kategorie, eine fragwürdige Konstruktion der Jazz-Kritik, des Musikgeschäfts, der Institute und Schulen. Er lässt sich nicht als einigermaßen klar abgegrenzte und zugleich so offene Musikart verstehen, dass sich Musiker weder ausgeschlossen noch eingeschränkt fühlen. Oft wird die Bezeichnung Jazz (ähnlich wie bereits in den Anfängen ihrer Verwendung) nur als attraktives Etikett für alle möglichen Musikprodukte und als Sammelbecken für sonst nicht Zuordenbares benützt. Dementsprechend diffus ist das Jazz-Feld.

Der Saxofonist Wayne Shorter verwehrte sich dagegen, „in eine kleine Box gesperrt zu werden, auf der Jazz steht“.14) Viele bedeutende Jazz-Musiker betrachteten die Darstellungen und Kategorisierungen der Jazz-Kritiker als verzerrend und lehnten auch die Bezeichnung Jazz ab.15) Sie sahen sich aber sehr wohl als Mitwirkende in einer speziellen afro-amerikanischen Musiktradition und bezogen sich auf die herausragenden kreativen Meister, die vor ihnen das Wesen dieser Musik in überzeugender Form zum Ausdruck brachten. Diese Tradition, die von Jazz-Kritikern als Zentrum des Jazz erkannt wurde, enthält eine erstaunlich stabile Linie mit eigenem Charakter. Sie zeigt sich zum Beispiel bei einem Vergleich folgender Aufnahmen:

1.) Hotter Than That (1927) von Louis Armstrong and His Hot Five
2.) Ornithology (1950)16) von Charlie Parker
3.) Out Of This World (1962)17) von John Coltrane
4.) Figit Time (2001)18) von Steve Coleman and Five Elements

Diese Auswahl ist nicht zufällig, sondern besteht aus hervorragenden Aufnahmen der in der jeweiligen Zeit bedeutendsten kreativen Meister des Jazz-Solospiels. Die Stücke mögen oberflächlich sehr unterschiedlich klingen, doch ist ihre Art der Gestaltung auf fundamentaler Ebene sehr ähnlich19) und ihre besonderen Qualitäten, die sie zu Meisterwerken machen, sind durch eine spezifisch afro-amerikanische Ästhetik eng miteinander verbunden20).

Aufgrund der elementaren Bedeutung, die diese Armstrong-Parker-Coltrane-Linie in der afro-amerikanischen Jazz-Tradition hat, kann sie als konsistenter Kern des Jazz-Begriffs dienen.

 

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  1. Über die Herkunft und ursprüngliche Bedeutung des Wortes „Jazz“ gibt es zahlreiche, oft kühne Spekulationen. Eine gründliche aktuelle Untersuchung und Darstellung des derzeitigen Wissensstandes präsentierte der Etymologe Gerald Leonard Cohen (Missouri University of Science & Technology) in der von ihm selbst publizierten Schrift Origin of the Term "Jazz", 2015. Sie ergibt Folgendes: Die früheste Verwendung des Wortes „Jazz“ ist im Bereich des Baseball-Sports für das Jahr 1913 in San Francisco belegt und im Bereich der Musik für das Jahr 1915 in Chicago. Für die Übertragung des Wortes aus dem Sportbereich in die Musik scheinen die „weißen“ Musiker Art Hickman und Bert Kelly eine Rolle gespielt zu haben. Hickman leitete in San Francisco eine Band und seine Musik wurde Jazz genannt, obwohl er es nicht mochte. Kelly behauptete glaubwürdig, das Jazz-Wort 1914 nach Chicago gebracht zu haben, wo es rasch populär wurde. (Cohen, S. 1f.) – Bruce Vermazen: Hickman sei Anfang der 1910er Jahre an der Westküste viel mit Baseballspielern in Kontakt gewesen. Er und auch Kelly hätten dort 1913/1914 gemeinsam mit anderen Musikern zur Unterhaltung der Sportler gespielt. Als 1916/1917 in New York „Jazz“ im Stil der Original Dixieland Jazz Band modern wurde, sei das eine andere Art von Musik gewesen als die der Hickman-Band. In den Jahren 1919 und 1920 sei Hickman mit seinem Orchester in New York erfolgreich gewesen und dann nach San Francisco zurückgekehrt. Hickman habe betont, dass sein Orchester keine Jazz-Band ist. Jazz sei bloßer Lärm, ein Produkt der Honky-Tonks, und habe keinen Platz in einer kultivierten Atmosphäre. Er (Hickman) habe versucht, ein Orchester zu entwickeln, das jeden Pulsschlag mit Energie auflädt, ohne sich zu Pfannen-Schlagen, Schlittenglockengeläute und Körperverdrehungen für die Gummizelle hinunter zu begeben. Die Leute in New York, die seine Band noch nicht kannten, hätten gedacht, dass er ein Jazz-Band-Leiter sei. Sie hätten von ihm erwartet, dass er mit einer kreischenden Klarinette und vielleicht mit einem schief aufgesetzten Plug-(„Stöpsel“)-Hut vor ihnen steht und sich schüttelt wie ein Neger mit Schüttelfrost. New York sei von Jazz übersättigt worden. An der Pazifikküste sei der Jazz vor sechs Monaten gestorben. Die Leute hätten begonnen zu erkennen, dass sie nicht tanzten, dass die echte Grazie der Terpsichore [altgriechische Muse der Chorlyrik und des Tanzes] im Schmutz der Sinnlichkeit begraben wurde. Wenn er die New Yorker dazu bringen kann, den wahren Geist des Tanzes zu schätzen, dann wäre er glücklich und froh darüber, dass er dorthin (zur Tanzveranstaltung auf dem Dach eines New Yorker Theaters) kam. – Später sagte Hickman zu seinen Anfängen als Musiker: Er habe in jungen Jahren als Bote der Firma Western Union gerne etwas in die Hop-Joints [Drogen-Kneipen] und Honky-Tonkys [Spelunken] an der Barbary-Coast [Vergnügungsviertel von San Francisco] geliefert. Dort habe es Musik gegeben. Afro-Amerikaner spielten sie. Lidschatten, Ärmelhochkrempeln, Zigarre im Mund, Gin, Schnaps, Rauch und Dreck habe es dort gegeben. Aber vor allem Musik. Dort sei aller Jazz entstanden. (QUELLE: Bruce Vermazen, Art Hickman and His Orchestra, Jänner 2011, Internetseite Tim’s Phonographs and Old Records von Tim Gracyk [Autor des Buches: Tim Gracyk/Frank W. Hoffmann, Popular American Recording Pioneers: 1895-1925, 2000], Internet-Adresse: http://www.gracyk.com/index.html; Bruce Vermazen ist Verfasser eines Eintrags über Art Hickman in: Tim Gracyk/Frank W. Hoffmann [Hrsg.], The Encyclopedia of Popular American Recording Pioneers 1895 -1925, 1997)
  2. zunächst offenbar vor allem von der Original Dixieland Jazz Band
  3. George Gershwin im Jahr 1926: Der Ausdruck „Jazz“ sei für so viele unterschiedliche Sachen verwendet worden, dass er aufgehört habe, irgendeine bestimmte Bedeutung zu haben. (QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong. Master of Modernism, 2014, Kindle-Ausgabe, S. 57) – Alyn Shipton: Im „Jazz-Age“ der 1920er Jahre sei der Ausdruck „Jazz-Band“ weitgehend für Ensembles verwendet worden, die sehr wenig mit der synkopierten und improvisierten Musik von King Oliver, Louis Armstrong und der Original Dixieland Jazz Band zu tun hatten. (QUELLE: Alyn Shipton, A New History of Jazz, 2007, S. 4) – Thomas Brothers: Die Verwendung des Jazz-Wortes in der Mitte der 1920er Jahre sei umstritten, pluralistisch, unstabil und unausweichlich von „rassischer“ und sozialer Dynamik beeinflusst gewesen. Es seien in den 1920er Jahren zumindest folgende fünf Arten der Verwendung des Jazz-Wortes zirkuliert: 1.) Jazz als afro-amerikanische Musik aus New Orleans mit bluesigen Effekten und Kollektiv-Improvisation (zum Beispiel Joe Olivers Band) – 2.) die „weiße“ Version dieser Tradition (zuerst vorgestellt von der Original Dixieland Jazz Band) – 3.) Jazz als komponierte, synkopierte und/oder bluesige Musik (von W. C. Handys Blues-Songs bis zu eingängigen Broadway-Stücken) – 4.) der „frank und freie, manchmal vulgäre Geist der Bourgeoisie“, wie es ein damaliger Autor ausgedrückt habe („Weiße“ Tanzbandleader, die mit ihren High-Society-Orchestern nicht nur für das Tango- und Walzer-Tanzen, sondern auch für Foxtrott und Charleston spielten, hätten Stilmerkmale von komponierten Jazz-Songs nachgebildet und das sei für Jazz gehalten worden, völlig abgelöst von afro-amerikanischer Subkultur [„vernacular“].) – 5.) „sinfonischer“ Jazz, mit dem der Jazz zur „reinen Kunst“ erhoben werden sollte (zum Beispiel die Aufführung von George Gershwins Rhapsody in Blue durch das Paul-Whiteman-Orchester im Jahr 1924) (QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong. Master of Modernism, 2014, Kindle-Ausgabe, S. 132-136)
  4. Näheres dazu später im Artikel Dixieland: Link
  5. QUELLE: Alyn Shipton, A New History of Jazz, 2007, S. 27
  6. siehe zum Beispiel im Artikel Wildheit: Link
  7. QUELLE: William J. Schafer, Brass Bands and New Orleans Jazz, 1977, S. 9
  8. Joe „King“ Oliver
  9. King Oliver's Creole Jazz Band (Oliver hatte damals also bereits den Ausdruck „Jazz“ übernommen); Armstrong gehörte der Band rund eineinhalb Jahr lang an
  10. Louis Armstrong and His Hot Five/Hot Seven
  11. Ein Kornett (oder eine Trompete) spielte die Hauptmelodie, die von der Klarinette umspielt wurde, während die Posaune eine harmonische und rhythmische Basis beitrug.
  12. Der Schriftsteller F. Scott Fitzgerald gab bereits einer im Jahr 1922 erschienen Sammlung von Kurzgeschichten den Titel Tales of the Jazz Age.
  13. John Gennari: Die Vorliebe von Jazz-Kritikern wie John Hammond und Leonard Feather für afro-amerikanische Swing-Musiker habe in den USA kaum Einfluss auf den Geschmack der Swing-Fans gehabt. In Europa sei, wie Eric Hobsbawn angemerkt habe, die Situation ganz anders gewesen. Dort habe der Einfluss einer Handvoll Kritiker (Hugues Panassié, Robert Goffin und Charles Delauney in Paris; Edgar Jackson, Spike Hughes, Stanley Dance, Feather und Hammond in London) bestimmt, welche Schallplatten für die Öffentlichkeit verfügbar waren, und damit einen Kritiker-zentrierten, afro-amerikanisch dominierten Jazz-Kanon zu einer vollendeten Tatsache gemacht. Während Louis Armstrong in den ersten zwanzig Jahren der Umfragen der amerikanischen Zeitschrift Down Beat nie den ersten Platz der Trompeter-Kategorie gewann, habe er in praktischen allen veröffentlichten europäischen Umfragen von den 1930er bis 1950er Jahren die Spitzenposition gehalten. (QUELLE: John Gennari, Blowin‘ Hot and Cool, 2006, S. 94f.)
  14. QUELLE: Christian Broecking, Herbie Hancock. Interviews, 2010, S. 38
  15. Thomas Brothers: Louis Armstrong sei in Bezug auf das Jazz-Wort ambivalent gewesen, wie viele seiner Kollegen aus New Orleans, die die kommerzielle Bedeutung dieses Begriffs verstanden, aber in ihm wenig Sinn sahen. Die rassistischen Ideologien, die so sehr die Betrachtungsweisen beeinflussten, dürften Teil des Grundes sein, warum Musiker von Armstrong über Duke Ellington bis zu Dizzy Gillespie und darüber hinaus versuchten, Bezeichnungen für ihre Musik generell zu vermeiden. (QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong. Master of Modernism, 2014, Kindle-Ausgabe, S. 137) – John Edward Hasse: Duke Ellington habe in den 1930er Jahren die Bezeichnungen „Jazz“ und „Swing“ abgelehnt und seine Musik stattdessen „Negro Music“ genannt. (QUELLE: John Edward Hasse, Beyond Category. The Life and Genius of Duke Ellington, 1993, S. 203) – Charlie Parker forderte seinen Interviewer auf, seine Musik nicht Bebop, sondern einfach Musik zu nennen. (QUELLE: Leonard Feather, Yardbird Flies Home, Zeitschrift Metronome, August 1947, in: Carl Woideck [Hrsg.], The Charlie Parker Companion, 1998, S. 64) – John Coltrane: Er werde zwar unter dem Namen Jazz verkauft, aber für ihn existiere dieses Wort nicht. (QUELLE: Chris DeVito, Coltrane on Coltrane, 2010, S. 266) – Miles Davis: Jazz sei ein Nigger-Wort, es meine Nigger. Wenn man Jazz sagt, so denke man automatisch „Nigger“. Jazz sei nichts. Er habe sich beim Spielen noch nie gedacht, er spiele jetzt Jazz. (QUELLE: von Kishur Manwar am 3. August 1980 geführtes Interview mit Miles Davis, in: Paul Maher/Michael K. Dorr, Miles on Miles, 2009, S. 176) – Charles Mingus: Das Wort Jazz bedeute Neger, Diskriminierung, Zweite-Klasse-Bürgertum, im Bus hinten zu sitzen. (QUELLE: Gene Santoro, Myself When I Am Real. The Life and Music of Charles Mingus, 2000, S. 235, Quellenangabe: M + M at Monterey, Zeitschrift Newsweek, 5. Oktober 1964) – Randy Weston: Die Musik, die „sie“ Jazz nennen, sei ihre Volksmusik, die der Afro-Amerikaner. Johnny Griffin: Jazz sei ein Schweißwort [bastard word]. Der Ofay [abwertende Bezeichnung für „Weiße“] habe diese Musik Jazz genannt. Charles Tolliver: Jazz sei ein Name, der der von ihnen [den Afro-Amerikanern] gespielten Musik von Leuten gegeben wurde, die diese Musik kontrollieren. Max Roach: Manche von ihnen [afro-amerikanischen Musikern] würden den Namen Jazz akzeptieren, aber er persönlich lehne ihn entschieden ab. Bebop sei ein weiterer dieser Namen wie Boy, Nigger und Jazz. Dizzy Gillespie: Wenn man diese Musik Jazz nennt, sei das, als würde man Afro-Amerikaner Neger nennen. Tony Williams: Yusef Lateef sei absolut gegen die Bezeichnung Jazz. Es sei ein unglücklicher Name, aber wie soll man ihn aus der Welt schaffen? Hampton Hawes: Er glaube, dass das Wort Jazz mehr oder weniger von „weißen“ Geschäftsleuten geschaffen wurde. Aus deren Sicht wussten „Nigger“ nicht, was sie spielen, sondern spielten einfach nach ihrem Gefühl. Kenny Clarke: Jazz sei ein abwertender Name für die Musik, die Afro-Amerikaner spielten. Aber man müsse halt Dinge akzeptieren, die man nicht ändern kann. Freddie Hubbard: Das Wort Jazz sei mit einem Stigma verbunden. Es sei eine Bezeichnung, die „Weiße“ der Musik gaben. Es sei bloß ein Wort, wie sein eigener Name, ein „weißer“ Name, ein Sklavenname. Richard Davis: Er möge Bezeichnungen überhaupt nicht. Er spiele einfach Musik. Black-Music sei ein besserer Begriff als Jazz. Elvin Jones: Das Wort Jazz sei in vieler Hinsicht irreführend, ein unangemessener Ausdruck, aber er denke, dass nichts Abwertendes an ihm ist. Hazel Scott: Sie lehne die Bezeichnung Jazz ab, da sie eine Umschreibung von etwas anderem ist. Sie [die Musiker] hätten ein hartes Stück Arbeit gehabt. (QUELLE: Arthur Taylor, Notes And Tones, 1993, S. 22, 68, 76, 110 und 118f., 126, 168, 185, 194f., 198, 214f., 225 und 261) – Ingrid Monson: Viele Musiker würden das Wort Jazz nicht mögen. Der afro-amerikanische Schlagzeuger Michael Carvin habe gesagt, sie solle das Wort Jazz nicht verwenden, die Sache in keine Schublade stecken. Wenn Musiker so etwas sagen, dann würden sie nicht meinen, dass zwischen Jazz-Improvisation und anderen Arten von Musik kein Unterschied besteht. Sie würden vielmehr die soziale Tragweite des Etikettierens erkennen. Innerhalb der Jazz-Community bedeute der Ausdruck „die Musik“ Jazz und andere afro-amerikanische Musik-Genres. Jaki Byard betrachte Jazz als einen Begriff, der aus der Welt des Unternehmertums kommt, während Sidney Bechet unverblümter gesagt habe, dass Jazz ein Name ist, den „weiße“ Leute der Musik gaben. (QUELLE: Ingrid Monson, Saying Something, 1996, S. 101f.)
  16. Album Complete Live at Birdland; das Aufnahmejahr ist nicht sicher, könnte auch 1949 sein, ist aber mit 1950 angegeben
  17. Album Coltrane
  18. Album Resistance is Futile; Figit Time beginnt 1:28 Minute/Sekunden nach Beginn des Stückes Law Of Balance/Figit Time
  19. Es wird zunächst ein Ausgangsmaterial (eine Art „Song“ im weitesten Sinn) vorgestellt und dann über seinen Grundstrukturen, insbesondere auch seiner Rhythmik, in einer ausgereiften, einer Komposition gleichkommenden, sprachnahen, rhythmisch-melodischen Weise improvisiert. – Armstrong hatte seine Soli allerdings zwar auf improvisatorische Weise ausgearbeitet, dann jedoch in einer kaum variierten Form aufgeführt, sodass sie zu diesem Zeitpunkt nicht mehr improvisiert wurden. Vor dem Publikum oder für eine Schallplattenaufnahme eine Art Jam-Session abzuhalten, entsprach nicht dem Verständnis der damaligen Musiker. (QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong. Master of Modernism, 2014, Kindle-Ausgabe, S. 251)
  20. Diese Qualitäten sollen in den weiteren Artikeln deutlich werden.

 

 

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